Wir haben Werbetexter, PR-Texter und Online-Texter gefragt: „Was ist Ihr größtes Problem beim Schreiben von Texten?“ Hier die Ergebnisse.
Auf die Frage: Was ist Ihr größtes Problem beim Schreiben von Texten? antworteten 71 % der Befragten: Mir fallen keine neuen Formulierungen ein. Das Ergebnis überrascht nicht. Sie sind häufig in den Konventionen und Standardformulierungen Ihrer Branche gefangen. Ihnen fällt nichts Neues mehr ein. Meist nur der Text vom letzten Jahr. Gespickt mit den üblichen Textbausteinen.
So oder ähnlich steht dieser Text übrigens auch in den Werbemitteln Ihrer Konkurrenz. Warum? Weil sich in jede Branche typische Konventionen eingeschlichen haben. Wo nur Floskeln stehen, bleiben Text und Versprechen austauschbar. Und damit das Produkt, die Dienstleistung und das Unternehmen.
Der Kunde erkennt an den ersten Buchstaben, dass es sich nur um Reklame und Bullshit Bingo handelt. Die Klappe fällt. Ende der Erfolgsgeschichte.
Achtung! Sie lesen gleich Werbetexte. Sie werden Ihr weiteres Denken, Handeln und Schreiben über Werbetext beeinflussen. Leider sind die Texte nur zum Teil gut.
Blättern Sie vor Ihrem geistigen Auge in Broschüren oder klicken Sie auf Internetseiten und lesen Sie mit: „Qualität ist unsere Devise.“ „Für höchste Ansprüche.“ „Komplettlösungen und Effizienzsteigerungen.“ „Technologien von morgen.“ „Spitzenqualität hat oberste Priorität.“ „Unsere Qualitätsstandards sind die konsequente Richtschnur aller Prozesse.“ „Hohe Innovationskraft.“ „Exklusive Ausstattung. Überzeugende Fahrdynamik. Modernste Benzin- und Common-Rail-Diesel-Motoren.“ Welchen Werbetext streichen Sie?
Streichen Sie alles
In dieser Menge fühlt sich Werbetext wie Zahnschmerz an und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Wirkung kommt einer Gehirnwäsche gleich. Das haben wir alles schon hundertmal gelesen. Bei uns und bei anderen. Allein die Tatsache, dass diese Werbetexte veröffentlicht werden, bedeutet nicht, dass sie gut sind, und es bedeutet ebenfalls nicht, dass sie wirken.
Fangt das Phrasenschwein ein
Lesen Sie Werbemails, Produktdatenblätter, Anzeigen, Broschüren, Flyer oder lesen Sie im Internet nach. Es wird keine Floskel und keine Phrase ausgelassen und in jede Worthülse hineingetreten. Die meisten Werbetexte liest man nicht, weil sie nicht lesenswert sind. Den Leserinnen und Lesern ist oft nach dem ersten Satz klar, dass dies die üblichen Phrasen sind und steigen aus. Ende der Werbegeschichte.
Ist denn alles schlecht? Ja, 80 % der deutschen Werbetexte sind Bullshit. „Aber das kann doch nicht sein! Die Verfasser sind Experten, Journalisten und Werbetexter.“ Ja, aber nicht jeder Klempner ist gut. Genauso wie nicht jede Agentur, nicht jeder WerbetexterIn und nicht jeder Kunde den richtigen Sinn für Qualität hat. Hinzu kommt, daß viele Auftraggeber und Entscheider glauben ein Werbetext müsste so sein. Jeder Auftraggeber bekommt das, was er verdient. Viele Werbetexte sind festgefahren und in Unternehmens-, Branchen- oder Text-Konventionen verstrickt – typische Reklame.
Ein Werbe-Jargon hat sich ausgeprägt, der in der Masse weichgespült wirkt, nichts mehr aussagt und untergeht. Bei über 2.437 Botschaften, die uns täglich begegnen, kein Wunder. Zeit für Veränderung.
Welcher Werbetext ist nun gut und welcher schlecht?
Floskeln, Worthülsen, bedeutungsleere Fremdwörter, übermäßiger Gebrauch von Jargon, Phrasenschweine und zusammengesetzte Adjektive und Substantive sind die stilistischen Hauptschuldigen, die Texte nicht besser sondern schlechter machen. Sie haben Saft und Kraft verloren, sind ausgelutscht, abgenutzt, unkonkret, trendy, austauschbar und deshalb keine gute Gestaltung. Benutzt man sie weiter, führen sie zu Allgemeinheiten, Superlativen und Nonsens.
Nehmen Sie bitte einen beliebigen Ursprungstext aus Ihrer Schublade
Ihre Aufmerksamkeit für Bullshit beim Schreiben können Sie steigern indem Sie sich über die austauschbaren Formulierungen Ihrer Branche im Klaren sind. Unterstreichen Sie die Passagen, die am wenigsten aussagen, unkonkret oder bildleer bleiben, wichtigtuerisch und typisch für Ihre Branche sind. Dieser Bullshit unterliegt Moden und bildet nur die Konventionen einer Branche ab. Mehr nicht.
Es lohnt sich alle diese Formulierungen einmal auf einem Blatt Papier zu versammeln. Hängen Sie die Liste zum Beispiel neben den PC oder direkt an die Bürotür. Gefahr erkannt – Gefahr gebannt.
Jede Branche besitzt ihre eigenen Worthülsen. Sie haben sich über Jahre eingeschliffen und müssen ersetzt werden damit Ihre Botschaften wieder Gewicht und Aufmerksamkeit erlangen.
Was ändern wir?
Ein Mineralölkonzern schreibt: „Gekonnte Kombination. Produktionskapazität, Produkt- und Servicequalität ein untrennbares Ganzes.“ Der konkurrierende Mineralölkonzern textet: „Als Einzige verkaufen wir Markenkraftstoff günstiger. Sind wir eigentlich bescheuert?“ Plötzlich hört man zu und liest weiter. Vielleicht zieht man in Erwägung das nächste Mal dort zu tanken?
Der Maschinenbau-Hersteller schreibt auf der Titelseite seiner Imagebroschüre: „Familientradition und Innovation seit über hundert Jahren.“ Der Konkurrent schreibt: „Neu seit 1875.“ Ein anderer Maschinenbauhersteller schreibt über eine Biegemaschine. „Innovative Technik.“ Der andere schreibt: „Born to Bend.“ Viel besser. Der Limonadenhersteller schreibt: “33 cl gegen innere Leere.“ Ein Smoothie-Hersteller schreibt: “Besamt und befruchtet.“ Selbst die Müllabfuhr schreibt gute Texte: „Wie oft kannst Du kommen?“ Eine Wirtschaftszeitung schreibt in Ihren Anzeigen „Denken Sie mal darüber vor“. Auf den Brechtüten im Flugzeug liest man: „Vielen Dank für Ihre Kritik.“ Und der Lichtanlagenhersteller schreibt: InGENIEure herzlich Willkommen.“ Genial!
Guter Werbetext ist gute Story
Bessere Texte erzählen. Die Botschaft erhält eine Verpackung und wird als Geschichte gestaltet. Geschichten zielen auf die Faszination der Produkte und das Image der Marke. Erzählen und berühren statt beschreiben und erklären ist ein Weg aus der Textkrise. Spannende Werbetexte werden durch Storytelling lieber gelesen, besser erinnert und überzeugen durch Drama. Übrigens, gute Texte lassen sich für jede Branche, jedes Produkt und jedes Unternehmen schreiben.
Gute Story besitzt ein Drama
Das gilt auch für Fließtexte. Eine Lifestyle Zeitschrift wirbt mit der Headline: „Das neue Magazin für Deutschland.“ Die andere Zeitschrift schreibt besser: „Achtung: Es wird gleich anstrengend und frustrierend und langweilig und deprimierend und grau und auch ein wenig nervig. Willkommen in Deutschland. P.S.: Das Wetter wird auch scheiße.“ Die zweite Headline wirkt hier bereits wie ein Fließtext. Das Drama, die Spannung und die Neugierde steigen.
Guter Fließtext folgt einer inneren Dramaturgie. Als Beispiel ein Anzeigentext für Hundebesitzer mit überraschender Wendung. Wie ein kleiner Film.
Abbildung: Ein Hund schaut treudoof in die Kamera. Die Headline schreibt: „Ich lege ein Vermögen für Dich hin.“ Unter dramaturgischen Gesichtspunkten ist das ein auslösendes Ereignis. Dann liest man im Fließtext: „Ich bezahle alles.“ Das ist die Zielentwicklung des Dramas. Darauf folgen die Komplikationen: „Steuern, Versicherung, Medizin. Dein Spielzeug.“ Dann der Höhepunkt: „Deinen Unterricht!“ Rechts unten auf der Anzeige wird jetzt die Abbildung der Hundezeitschrift sichtbar mit dem Slogan: „Du liest, was Du liebst.“ Das ist die überraschende Wendung und Auflösung (Coda/Branding). Der Text ist dramatisch geordnet und deshalb liest man ihn gerne.
Der Werbetext erzählt aus der Perspektive eines leidenschaftlichen Hundebesitzers. Das trifft Gleichgesinnte ins Herz und die Motive der Zielgruppe.
Ein letztes Beispiel: Die Kampagne „Du bist Deutschland“ und ein Text mit folgender Erzählstruktur: 1. Auslösendes Ereignis, 2. Komplikationen geordnet als Klimax, 3. Höhepunkt, 4. überraschende Wendung und 5. Auflösung.
Die Abbildung eines süßen 3-jährigen Jungen. Text: (1.) „Du machst uns wahnsinnig. (2.) Du bist eine Nervensäge und ein Zeitfresser. Ständig musst Du im Mittelpunkt stehen. Du bekommst Masern und Windpocken und siehst böse Monster im Schrank. (3.) Man kann dich nicht eine einzige Sekunde aus den Augen lassen. (4.) Ja, du machst uns wahnsinnig: Vor Glück. (5.) Du bist Deutschland.